Serie City-Mobilität: E-Scooter polarisieren Jung und Alt

Bei schmuddeligem Winterwetter stehen sie haufenweise auf den Gehsteigen der Stadt: die Elektrotretroller oder auch E-Scooter genannt. Sechs verschiedene Anbieter zählt Radio Charivari in München: Bird, Circ, Hive, Jump, Lime, Tier (via MVG More)  und Voi. Diese Zahl soll noch auf bis zu 12 Anbieter steigen und an die 10.000 E-Scooter könnten unsere Gehsteige, Radwege und Straßen bevölkern. Ab 18 Jahren darf jeder sich die elektrischen Tretroller mieten, und mit bis zu 20 Km/h durch die Stadt sausen. Neben Start- oder Grundgebühren sind meist Minutenpreise fällig.

In der deutschen Bevölkerung kommen laut einer Umfrage des Bitkom Verbands die Fahrgeräte recht verschieden an. Auffällig sind die Bedenken zur Verkehrssicherheit. 69 Prozent vermuten, dass es durch E-Scooter zu mehr Verkehrsunfällen kommen wird. Verglichen den 59 Prozent mit der Bitkom-Umfrage von April 2019 sei damit die Skepsis laut der Interessensvereinigung der IT- und Computerfirmen Deutschlands leicht gewachsen. Damals hatten nur 59 Prozent mehr Unfälle erwartet.

Die Mietroller sind nach wie vor allem bei den Jüngeren zwischen 16 und 29 Jahren beliebt. Dabei wollen 68 Prozent den E-Scooter gerne in der Freizeit nutzen und immerhin 61 Prozent für den Weg zur Arbeit oder Ausbildung (in der Gesamtbevölkerung sind es nur 49 bzw. 34 Prozent). Praktisch die Hälfte der Jungen (49 Prozent) ist sich sicher, mittels E-Scooter auf private Autofahrten verzichten zu können – wenn es genügend E-Scooter gäbe (Gesamtbevölkerung 31 Prozent). Und ebenso die Hälfte der Jungen betrachten E-Scooter als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz sowie gar 63 Prozent halten die Sausebretter für eine gute Ergänzung zum Nahverkehr.

Grafik: Laut YouGov verwenden erst 4 Prozent der deutschen Großstädter gelegentlich einen E-Scooter. 

Sehr deutlich werden die unterschiedlichen Einstellungen im Vergleich zur Bevölkerung ab 65 Jahren: nur 21 Prozent der Alten würden die E-Scooter in ihrer Freizeit nutzen und 78 Prozent befürchten mehr Verkehrsunfälle. In letzterem Punkt sind auch die Jungen skeptisch, die immerhin zu 56 Prozent vermuten, dass es durch E-Scooter mehr Verkehrsunfälle geben wird. Das ist übrigens auch die Befürchtung der Unfallchirurgen, so seien allein bereits im Unfallklinikum Göttingen im Frühjahr 2019 zwei schwer verletzte Elektrotretrollerfahrer behandelt worden. Die plausiblen Gründe dafür sind: Elektrotretroller müssen auf Straßen oder Radwegen fahren und es besteht keine Helmpflicht (wie das übrigens unser Taxiverband fordert).

Die eigentlichen Fragen hinsichtlich der Mobilität in der Stadt lauten jedoch: tragen die E-Scooter zur Verbesserung der Stadtmobilität bei, und sind sie klimafreundlich? Obwohl zum Beispiel der Bund Naturschutz die neuen, elektrischen Verkehrsmittel grundsätzlich positiv beurteilt, monieren die Experten des Verbandes, dass die Elektrotretroller durch Diesel-Transporter zum Laden eingesammelt werden, und die Lebensdauer der Roller nicht sehr lange ist. Angeblich werden sie nach Ablauf ihrer Nutzungszeit verschrottet.   Aus anderen Großstädten weltweit wird über die „Verstopfung“ durch abgestellte E-Scooter berichtet, ähnlich wie dies bereits bei den Leihrädern der Fall war. Viele Bürger beklagen sich über das „wilde“ Abstellen durch die Nutzer. Teilweise reagieren die Stadtverwaltungen mit drastischen Sammelbußgeldern an die Anbieter und sogar mit Beschlagnahmen. In Deutschland dürfte dies für die Städte noch spannend werden, denn die „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“ sieht nämlich eine Regulierung durch die Städte gar nicht vor.

Unser Fazit: das Fahrgerät wird weiter vor allem die Jungen faszinieren. Ob damit wirklich klimaschädlicher Verkehr ersetzt wird, bezweifeln wir. Wir erwarten vielleicht eine Verbesserung, wenn aus dem Stadtkern Verbrennerfahrzeuge sowie Privatautos überhaupt verbannt sind, und neben Elektrotaxis, elektrischen Lieferwägen und Elektrobussen nur noch Fahrräder und Tretroller fahren dürfen. Die Jugend findet zudem laut der erwähnten Bitkom-Studie die E-Scooter als zu teuer. Eine halbe Stunde Nutzung kostet in München mindestens 5,70 Euro. Fürs gleiche Geld könnte man in München laut Taxitarif immerhin in ein Taxi, zum Beispiel in den elektrischen Jaguar einsteigen und einen Kilometer fahren ?

Beitragsbild: Nicolas I. on Unsplash