SÜDKOREANISCHE PLATTFORM WILL FREE NOW IN EUROPA ÜBERNEHMEN
Kakao Mobility, der größte Taxidienstanbieter in Korea, plant die Übernahme der europäischen Plattform FreeNow. Dabei hat Free Now in Deutschland erst zu Jahresbeginn einen Kurswechsel vollzogen und will sich jetzt wieder auf seine Taxiwurzeln besinnen.
Kakao Mobility Corp., eine Fahrdiensteinheit des südkoreanischen Technologieriesen Kakao Corp., wird laut Onlineportal „The Korea Economic Daily“ bereits in der kommenden Woche einen Vorschlag unterbreiten, etwa 80 Prozent der Anteile an dem in Deutschland ansässigen Mobilitätsdienstleister zu erwerben. Das Portal beruft sich ebenso wie die Nachrichtenagentur Reuters auf die Zeitung „Maeil Business“, die die Information wiederum aus einer nicht genannte Quelle hat. Kakao Mobility hat einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent am südkoreanischen Taxidienst-Markt.
Auf eine Anfrage von Reuters nach einer Stellungnahme antwortete Kakao Mobility, man wolle sich zu dieser Angelegenheit nicht äußern.
Laut Onlineportal „The Korea Economic Daily“ wird der Mobilitätskonzern sich einem Angebot zum Kauf von FreeNow anschließen und rund 200 Milliarden Won (142,6 Millionen Euro bzw. 153,9 Millionen US-Dollar) für eine 80-prozentige Beteiligung vorschlagen, teilten gut informierte Quellen am Mittwoch mit. Zu den weiteren Bietern gehören demnach globale Fahrdienstleister wie Uber Technologies, OIa Cabs und Gett. Es ist nicht das erste Mal, dass Gerüchte über eine Übernahme von Free Now durch Uber die Runde machen.
Aufgrund der rechtlichen Probleme mit der Tochter- und Muttergesellschaft gilt es als unklar, ob Kakao Mobility den Deal abschließen kann. Das Unternehmen steht zunehmend unter behördlicher Kontrolle. Bae Jae-hyun, Chief Investment Officer (Präsident) von Kakao, wurde laut Medienberichten am 13. November von koreanischen Staatsanwälten wegen angeblicher Aktienmanipulation zur Übernahme der K-Pop-Agentur SM Entertainment Co. angeklagt. Gestern wurden auch Kakao-Gründer und -Vorsitzender Kim Beom-soo und Geschäftsführer Hong Euntaek wegen angeblicher Aktienkursmanipulation angeklagt.
Darüber hinaus war Kakao Mobility wegen der Benachteiligung von Taxifahrern, die keine kostenpflichtige Mitgliedschaft abgeschlossen hatten, in die Kritik geraten. Koreas Kartellbehörde Fair Trade Commission (FTC) verhängte im Juni eine Geldstrafe von 27,1 Milliarden Won (19,3 Millionen Euro).
Marktinsider gehen davon aus, dass es für Kakao Mobility nicht leicht wird, in absehbarer Zeit einen M&A-Deal abzuschließen, da die Muttergesellschaft vorerst von einer Geschäftsausweitung absehen will. Die Abkürzung M&A steht für Mergers & Acquisitions (Fusionen und Übernahmen).
Unterdessen erwarb Kakao Mobility im März dieses Jahres das britische Ride-Hailing-Startup Splyt und markierte damit seine erste Übernahme im Ausland. Marktkennern zufolge plant die koreanische Mobilitätsplattform, den europäischen Markt als Brückenkopf zu nutzen, um ihre globale Expansion zu beschleunigen.
FreeNow als einer der größten Ride-Hailing-Dienstleister in Europa mit selbst ernannter „Super-App“ bietet Dienstleistungen für Taxis, Carsharing, private Mietfahrzeuge, E-Bikes und E-Scooter in neun Ländern an, darunter Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Polen Irland – und natürlich in Deutschland, wo seine Mietwagenpartner bekanntlich im großen Stil illegalen taxiähnlichen Verkehr durchführen.
Das Unternehmen wurde 2009 als mytaxi in Hamburg gegründet. 2019 wurde es in FreeNow umbenannt, da die BMW Group und die Daimler AG, die letztes Jahr zu Mercedes-Benz wurde, gemeinsam eine Milliarde Euro in den Taxiplattformbetreiber und vier weitere Unternehmen investierten.
Das Gerücht um die koreanischen Übernahmepläne kommt überraschend, denn Free Now macht bei seiner Ausrichtung in Deutschland gerade eine Rolle rückwärts. Hatte man sich vor vier Jahren noch vom reinen Taxi-Anbieter sehr offensiv in Richtung Mietwagen orientiert, betont der Anbieter seit Neuestem, dass er jetzt wieder mehr auf das Taxi setze. Man wollte damals der aggressiven Expansion internationaler Plattformen etwas entgegensetzen, um insbesondere preissensible Fahrgäste auf der Plattform halten zu können und auch neue Kunden zu gewinnen.
„Das Ride-Angebot sehen wir heute, mit 4-jähriger Datenlage und Erfahrung, kritischer als zum Zeitpunkt der Einführung“, betont Free Now heute. Insbesondere in den Großstädten hätten sich Strukturen herausgebildet, die für die gewerbliche Personenbeförderung keine Vorteile gebracht haben. „Billiger“ dürfe nicht alle Mittel heiligen. Der Plattformvermittler verweist in diesem Zusammenhang auf die bekannte ARD-Kontraste-Dokumentation, die lediglich die Spitze des Eisbergs beleuchten würde. Dabei sei in dieser Sendung noch nicht einmal erwähnt worden, dass in Berlin rund 2.000 gefälschte Mietwagenlizenzen zirkulieren.
Von solchen Machenschaften scheint sich Free Now nun deutlich distanzieren zu wollen und strebt zurück zu seinen Wurzeln. In einer langen Mail an die Taxipartner hatte der Plattformvermittler vor rund drei Wochen versprochen, mehr Zeit und Ressourcen aufzuwenden, um gemeinsam das Produkt Taxi zu stärken. „Während die Herausforderung durch die internationalen Plattformen da ist, gilt es aber auch, vor der eigenen Türe aufzuräumen“, heißt es in der Mail.
Was man damit meint, wird anschließend beschrieben: „Durch den pandemiebedingten Fahrermangel und den Wegfall der Ortskenntnisprüfung ist die durchschnittliche Qualität der Taxiservices nicht besser geworden. Bei Free Now sind wir überzeugt: Eine Taxifahrt muss sich wieder deutlicher von einer Mietwagenfahrt unterscheiden! Qualität und Service müssen die letzten (notwendigen) Taxitariferhöhungen besser rechtfertigen. Hier sind auch wir gefordert, wohl wissend, dass auch unser Kundenservice sich deutlich verbessern muss. Um die Fahrgäste wieder oder weiter für das Taxi zu begeistern, müssen wir gemeinsam das Image wieder zurechtrücken“, fordert Free Now und verspricht, dass man seine Taxipartner dabei unterstützen wolle.
Auf Nachfrage von Taxi Times bestätigt Free-Now-Präsident Alexander Mönch, dass die Dualität von Taxi und Taxi-ähnlichem Mietwagen nicht nur ein ungleicher und damit unfairer Wettbewerb ist, sondern auch den Städten keinen Mehrwert gebracht habe. „Dem Taxi gehen Touren verloren und Betriebe geraten in die Existenzkrise. Der Mietwagen kann ohne die Anreizsysteme der Plattformen nicht wirtschaftlich überleben. Auch dann nicht, wenn er durch eine aggressive Preispolitik regelmäßig mehr Touren pro Stunde absolviert.“
Free Now gibt an, bereits seit Anfang 2023 wieder deutlich mehr in die Taxivermittlung zu investieren und diesen Weg sichtbar und spürbar fortsetzen zu wollen. „Wir setzen uns in den Städten laut und deutlich für das Mindestbeförderungsentgelt nach § 51a PBefG ein, damit das Level-playing-Field endlich etabliert wird und wir uns dann wieder einem Qualitätswettbewerb stellen können. Zudem ist das Hamburger Modell für uns Maß und Vorbild.“
Ob die Plattform mit dieser Charme-Offensive die Partner überzeugt? In München brodelt es derzeit, weil Free Now bei den dort seit kurzem möglichen Festpreisen im Rahmen des neu eingeführten Tarifkorridors den Kunden einen höheren Betrag abnimmt, als man den Partner letztlich verrechnet. „Der Kunde bestellt über die App Free-Now eine Taxifahrt zum Festpreis von 30 Euro“, berichtet ein Taxi Times-Leser. „Der Fahrer erhält den Auftrag lediglich zum Preis von 27 Euro. Das führe dann zu Diskussionen zwischen Taxifahrer und Kunden über die abweichenden Fahrpreise zwischen Taxameter und der App. Der Fahrtenvermittler erhält nicht nur die Kommission vom Unternehmer, sondern zusätzlich auch die Differenz vom Kunden.“ Für den Münchner Taxiunternehmer gibt es daher nur eine Konsequenz: „Als Unternehmer kann ich lediglich den Kunden aufklären und die Nutzung der Taxi-Deutschland App empfehlen“.
Quelle: Taxi Times
Originalmeldung: Südkoreanische Plattform will Free Now in Europa übernehmen (taxi-times.com)
Autor: Axel Rühle
Beitragsfoto: Axel Rühle