OFFENER BRIEF AN 16 DEUTSCHE FLUGHÄFEN
Mit einem eindringlichen Appell wendet sich der Taxi-Times-Verlag an die Betreiber deutscher Flughäfen: Keine Kooperation mit Fahrdienstanbietern/Mietwagenvermittlern wie Uber und Bolt durch Vermietung von Aufstellflächen.
Der Brief wurde inhaltsgleich an die Geschäftsführer von 16 Flughafengesellschaften geschickt. 5.000 Taxiunternehmer, Taxifahrer und Freunde des Taxigewerbes haben unterschrieben (Taxi Times berichtete).
Hier der Brief im Originalwortlaut:
Sehr geehrter…
mit diesem Offenen Brief appellieren wir, die Redaktion der Taxi Times, als Fachzeitschrift der Taxibranche und im Namen unserer Leser (siehe beigelegte Unterschriften) an Ihre gesellschaftspolitische Verantwortung und an Ihre Sorgfaltspflicht gegenüber Ihren Fluggästen.
Wir beobachten mit großer Sorge die bundesweite Tendenz einer Zusammenarbeit von Flughafengesellschaften mit Plattform-Fahrdiensten, die sich ein zeitgemäßes Image geben, jedoch Geschäftsmodelle verfolgen, die mit dem Rechtsstaat kollidieren, für prekäre Arbeitsverhältnisse und Sozialbetrug stehen und den Rechtsstaat geradezu verhöhnen.
Das Geschäftsmodell der Konzerne Uber, Bolt und in Teilen auch Free Now (bezogen auf dessen Mietwagengeschäft) kollidiert mit rechtlichen Vorgaben – insbesondere des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG).
Das ist keine bloße Behauptung, sondern eine erwiesene und gerichtlich bestätigte Tatsache.Diese Plattformen bieten mit ihren Smartphone-Apps taxiähnlichen Verkehr an, was vor allem eine schnelle Verfügbarkeit bedeutet. Die Fahrten werden bekanntlich nicht von den Konzernen selbst,sondern von deren Partnern, also Mietwagenbetrieben, ausgeführt, so dass die Konzerne sagen können: „Wir sind nur der Vermittler.“
Die schnelle Verfügbarkeit wie beim Taxi wäre nicht gegeben, wenn die Mietwagenfahrer die gesetzliche Rückkehrpflicht (und die Straßenverkehrsordnung) einhalten würden. Die Rückkehrpflicht für Mietwagen (Paragraph 49 des Personenbeförderungsgesetzes PBefG) hat den Zweck, dass Mietwagen keine unlautere Konkurrenz zum Taxi darstellen dürfen. Das Taxigewerbe als Teil des ÖPNV und somit als Zahnrad der Daseinsvorsorge hat Rechten und Pflichten wie der Linienverkehr (Betriebspflicht, Beförderungspflicht, Tarifpflicht). Da diese Pflichten eigenwirtschaftlich erfüllt werden müssen, bekommt das Taxi wie der Linienverkehr auch Aufstellflächen zur Verfügung gestellt. Die unlukrativen Fahrten (etwa kurze Fahrten zur nächsten Arztpraxis) werden beim Taxi durch die lukrativen Fahrten (etwa vom Flughafen in die Stadt) mitfinanziert. Damit dieses legale Geschäftsmodell funktioniert, muss das Taxigewerbe davor geschützt werden, dass Konkurrenten ohne die ÖPNV-Pflichten (Mietwagen sind nicht tarifgebunden) dem Taxi die lukrativen Aufträge entziehen. Dazu dient unter anderem die Rückkehrpflicht für Mietwagen, die verbietet, dass Mietwagen sich an Lokalen, Messen oder Flughäfen wie Taxen bereithalten.
Genau das aber tun die Mietwagen im Auftrag von Uber & Co. mit ihrem illegalen taxiähnlichen Verkehr. Sie sind somit nicht einfach, wie oft in den Medien dargestellt, eine preisgünstigere Konkurrenz für das Taxi, sondern ein illegaler Marktzerstörer, der bundesweit bereits tausende legal arbeitende Unternehmen die Existenz gekostet hat. Warum funktioniert das Geschäft von Uber & Co. trotz der eklatanten Rechtsverstöße? Weil die Konzerne Tricks entwickelt haben, um die behördlichen Kontrollen zu unterlaufen. Wenn die durchschnittliche Anfahrtszeit vom Betriebssitz zu einem Auftrag ca. 30 Minuten dauert, wird so getrickst, dass die App immer ein schnell verfügbares Fahrzeug anzeigt und der Auftrag immer an die nächsten Fahrzeuge vermittelt wird, und nicht, wie vom Gesetzgeber für Mietwagen vorgesehen, an den Betriebssitz. Also positionieren sich die Fahrzeuge unter Missachtung der Rückkehrpflicht in der Nähe des Flughafens. Dass die Fahrer sich dabei nicht für geltendes Recht interessieren, zeigen die Schlangen von Mietwagen, die sich an Flughäfen oft im Halteverbot vor den Schranken zu den Kurzzeitparkplätzen bilden. Wenn ein Flughafen den illegal arbeitenden Mietwagen nun eigene Abholflächen zur Verfügung stellt, unterstützt er damit das illegale Treiben noch, statt an der Unterbindung mitzuwirken. Auf den ausgewiesenen Flächen dürften nur Mietwagen warten, die nachweislich schon bestellt sind. Alle anderen, die dort warten, begehen abermals Rechtsbruch.
Will ein Flughafen tatsächlich mit seinen Abholzonen eine rechtsfreie Zone schaffen?
Natürlich kann man einer Flughafengesellschaft diesbezüglich keine Rechtsverstöße vorwerfen, da sie lediglich ihre Stellflächen vermarktet, um einen funktionierenden Ablauf ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Auch die Plattformvermittler arbeiten scheinbar sauber, sie vermitteln ja offiziell nur die Fahrgäste. Offen illegal (und dennoch schwer zu belangen) agieren nur die (meisten) Mietwagenbetreiber und ihre Fahrer.
Dennoch ist es mindestens moralisch fragwürdig, wenn eine Flughafengesellschaft Kenntnis von den illegalen Geschäften hat, diese aber ignoriert bzw. duldet, denn damit ist sie Unterstützer von prekären Arbeitsverhältnissen und Sozialbetrug.
Warum prekäre Arbeit und Sozialbetrug? Das sind keine Vorurteile oder pauschale Unterstellungen, sondern durch Studien belegte Tatsachen. Taxigleiche Personenbeförderung ist erwiesenermaßen nicht deutlich unterhalb der Taxitarife wirtschaftlich möglich. Das heißt: Wer damit Gewinn erwirtschaften will, muss die Fahrer ausbeuten (sie sind häufig unterbezahlt, arbeiten zum Teil schwarz und stocken großteils beim Arbeitsamt auf) und die Sozialversicherung betrügen (es wird nur ein Bruchteil der tatsächlichen Arbeitszeit angegeben).
Einfaches Rechenbeispiel: Ein eingetroffener Fluggast bestellt per App eine Mietwagenfahrt. Der Flughafen stellt die Abholfläche zur Verfügung, der Plattformanbieter vermittelt den Auftrag an ein Mietwagenunternehmen und zieht vom Fahrpreis, der in den meisten Fällen unter dem Taxitarif liegt, eine Vermittlungsprovision von durchschnittlich 25 % ab. Somit muss ein Mietwagenunternehmer wesentlich billiger fahren als das Taxi, den vollen Mehrwertsteuersatz zahlen (hat damit also auch noch 12 % weniger Nettoerlös als ein Taxi mit 7 % MwSt) und muss auch noch 25 % des Umsatzes an die Plattform abgeben. Damit ist keine Fahrt mehr wirtschaftlich. Ein Solounternehmer beutet sich also selbst aus, ein Mehrwagenunternehmer beutet seine Fahrer aus, indem er Arbeitszeiten manipuliert (Rechtsbruch), gleichzeitig verstößt er gegen das Mindestlohngesetz (Rechtsbruch) und betrügt die Sozialversicherung. Will eine Flughafengesellschaft wirklich eine Fläche zur Verfügung stellen, die in solchem Maße zur Schädigung der Gesellschaft missbraucht wird?
Jeder Flughafen hat deshalb auch eine moralische und gesellschaftspolitische Verantwortung, solchen Unternehmen die rote Karte zu zeigen und Ihnen keine Aufstellflächen zur Verfügung zu stellen. Zudem führen die beschriebenen prekären Verhältnisse dazu, dass Solounternehmer und Mietwagenfahrer sehr viel mehr Stunden pro Schicht arbeiten als zulässig, um finanziell überhaupt über die Runden zu kommen. In sozialen Medien machen Videoaufnahmen von Mietwagenfahrern die Runde, die an Ampeln eingeschlafen sind. Somit steigen die Fluggäste in Fahrzeuge mit übermüdeten Fahrern oder in Fahrzeuge, die nicht mehr den nötigen Sicherheitsstandards entsprechen, weil deren Unternehmer aufgrund der beschriebenen Unwirtschaftlichkeit keine Rücklagen für Fahrzeugneuanschaffungen oder Reparaturen bilden können.
Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass immer mehr gefälschte Mietwagenkonzessionen bei den Plattformvermittlern eingereicht werden, so dass viele vermeintliche Mietwagen in Wahrheit Privatautos sind, die trotz fünfstelliger Kilometer-Laufleistung im Jahr nicht nur weniger häufig bei den technischen Prüfstellen vorzuführen sind, sondern zudem ohne den vorgeschriebenen Versicherungsschutz für die Fahrgäste unterwegs sind. Diese erhalten dann bei Personenschäden durch Unfälle keine Entschädigung von der Versicherung, obwohl sie in gutem Glauben davon ausgegangen sind, an einer eigens ausgewiesenen Aufstellfläche am Flughafen auch eine seriöse Fahrdienstleistung geboten zu bekommen. Leider sind das keine Einzelfälle. Aufgrund der beschriebenen Begebenheiten hat sich, wie in mehreren Fernsehbeiträgen und Zeitungsartikeln dokumentiert ist, mittlerweile eine bandenmäßige Kriminalität innerhalb der Mietwagenbranche entwickelt. Firmen, die mit Scheingeschäftsführern agieren, falsche Betriebssitze anmelden, mit Fahrzeugen ohne Konzessionsgenehmigung unterwegs sind etc. – also nicht nur Regeln und Vorschriften „kreativ“ auslegen, sondern bewusst und vorsätzlich kriminell handeln.
Die Plattformen sind nicht in der Lage bzw. willens, diese schwarzen Schafe von denjenigen Mietwagenunternehmen zu unterscheiden, die wenigstens über eine gültige Konzession verfügen. Auch diesen Kriminellen dienen die Aufstellflächen an den Flughäfen. Folglich kann es immer passieren, dass ein Fluggast, der ein Uber- oder Bolt-Auto bestellt und dann die extra ausgewiesenen Plätze aufsucht, in ein Fahrzeug steigt, das nicht für die Personenbeförderung angemeldet ist und somit keinen Versicherungsschutz hat.
Letztlich wird das auch auf den Flughafenbetreiber zurückfallen, wenn dieser dem illegalen Treiben zugesehen hat, ohne es zu unterbinden. Will die Flughafengesellschaft sich mitschuldig machen, wenn es bei solchen Fahrten zu Verkehrsunfällen kommt? Wir appellieren dringend an Sie, sehr genau hinzusehen, an wen Sie die Verkehrsflächen an Ihrem Flughafen vergeben. Was Uber und Bolt tun, ist nicht kostengünstige Personenbeförderung, sondern illegaler taxiähnlicher Verkehr unter Missachtung zahlreicher Rechtsvorschriften und zum Schaden der Fahrer, vieler Fahrgäste, der Sozialkassen, des Fiskus und der gesamten Gesellschaft. Unterstützen Sie dieses rechtswidrige Geschäftsmodell nicht, indem Sie den Ausführenden dafür Flächen zur Verfügung stellen! Gerade als – in der Regel – öffentlich finanzierte Gesellschaft darf der Bürger eines Rechtsstaats von Ihnen erwarten, dass Sie keine illegalen Geschäftspraktiken unterstützen, sondern vielmehr dazu beitragen, jegliche Rechtsverstöße zu unterbinden. Und last but not least müssen auch Ihre Fluggäste die Gewissheit haben, dass Sie bei der Abfahrt von Ihrem Flughafen sicher und rechtsgeschützt befördert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Hartmann
Herausgeber Taxi Times
Die vierte Seite des Offenen Briefes enthielt dann noch diverse QR-Codes auf Medienberichte, in denen die im Brief genannten Fakten bestätigt werden:
ZDF-Sendung belegt Rechtsverstöße durch Uber und seine Partner
Organisierte Kriminalität: Mindestens 1.000 illegale Mietwagen in Berlin unterwegs
Die Uber-Files decken auf: Die schlimmen Wahrheiten über Uber
Der systematische Betrug der Uber- und Free-Now-Partner
Uber-Fahrer ohne soziale Absicherung: Weltweit ein Fall für die Gerichte
Kontrolle in Berlin: Schichtende für viele Mietwagenfahrer
Rheinische Post deckt brisante Hintergründe zu Uber auf
Berliner Verkehrsausschuss diskutiert über bandenmäßige Kriminalität bei Uber-Partnern
Interview mit Free-Now-Chef Alexander Mönch: Sozial-Dumping, keine Zulassung, Geisterfirmen; anders würde sich das Geschäft als Mietwagenunternehmen nicht lohnen.
Auch in Österreich vermitteln Uber und Bolt an illegale Fahrzeuge und Fahrer ohne Erlaubnis.
Illegale Mietwagen und unrentables Geschäftsmodell: Free Now kündigt Rückzug an
Quelle: Taxi Times
Originalmeldung: https://taxi-times.com/offener-brief-an-16-deutsche-flughaefen/
Autor: Jürgen Hartmann
Beitragsfoto: Jürgen Hartmann mit den 16 Offenen Briefen. Foto: Taxi Times
Hinweis der Redaktion: Die Absicht und die Organisation des Offenen Briefes können Sie in diesem YouTube-Video nachsehen