Ein Brandbrief sorgt für Stau auf Münchens Straßen

Begleitet von einem Korso mit 30 Taxis haben heute Mittag Vertreter des Münchner Taxigewerbes einen Brandbrief unter anderem an den Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter übergeben. Für den Korso hatten sich rund einhundert Taxis am Treffpunkt eingefunden, mitfahren durften aber nur 30. Im Brandbrief weisen die Autoren auf die verzweifelte Lage des Münchner Taxigewerbes hin und offenbaren die rechtlichen wie praktischen Mängel des aktuell gültigen Änderungsantrags zum Thema MBE.

Normalerweise ist ja die Deutsche Post für die Briefzustellung zuständig. Wenn sich jedoch Münchens Taxler mit einem Brandbrief an den OB wenden, wird keine Briefmarke benötigt. Ihre Protestnote haben die Taxler persönlich am Rathaus abgegeben und die Flotte der „Briefzusteller“ bestand aus einem Taxikorso mit 30 Taxis. Dieser startet um die Mittagszeit und führte – begleitet von der Polizei – vom Norden der Stadt in die Innenstadt. Während der rund 90-minütigen Fahrt wurden die jeweiligen Streckenabschnitte sowie die Kreuzungen gesperrt. Alleine auf dem Mittleren Ring, der Hauptverkehrsader der Stadt, konnte ein ca. vier Kilometer langer Abschnitt während 30 Minuten von Privatautos nicht befahren werden. Entsprechend groß war der Rückstau.

Vor der Abfahrt wurden die Taxis beklebt, damit jeder Passant die Botschaften lesen konnte. Foto Taxi Times
Vor der Abfahrt wurden die Taxis beklebt, damit jeder Passant die Botschaften lesen konnte. Foto Taxi Times

Wäre es nach dem Willen der Münchner Taxiunternehmer gegangen, hätten sich mindestens einhundert Taxis auf dem Weg zum Rathaus gemacht, doch die vom Taxiverband München angemeldete Demo war nur für 30 Fahrzeuge genehmigt worden – wegen der parallel stattfindenden Automobilmesse IAA. Dabei hatten die Taxler bewusst diesen Termin gewählt, weil man den Protest bewusst zu jenen Tagen abhalten will, an denen das Taxi unverzichtbar ist – unter anderem während großer Messen.

Knapp einhundert Taxis hatten sich zum Protest am Sammelparkplatz in zwei Parkbuchten eingefunden. Foto: Taxi Times
Knapp einhundert Taxis hatten sich zum Protest am Sammelparkplatz in zwei Parkbuchten eingefunden. Foto: Taxi Times

Die Stimmung am Sammelplatz war eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und einem „Jetzt Erst Recht-Gefühl“. Viele anwesende Taxiunternehmer (Einzel- wie Mehrwagenbetriebe) betonten, was auch im Brandbrief an den OB ausführlich erläutert wird: Es wird eng für sie. Der ungleiche Wettbewerb mit den Plattformen Uber, Bolt und teilweise auch immer noch Free Now lässt ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr zu. „In den ersten acht Monaten dieses Jahres hat kein Münchener Taxibetrieb Gewinne erwirtschaften können“, beklagen sich die Taxler. „Als selbstfahrender Taxiunternehmer ohne Personal muss ich die die fehlenden Umsätze durch unverhältnismäßig lange Arbeitszeiten ausgleichen“, schildert einer von ihnen seine Umstände gegenüber Taxi Times. „Damit verstoße ich zwar nicht gegen das Arbeitszeitgesetz, weil ich als selbstständiger Unternehmer daran nicht gebunden bin. Aber in der 10. oder 11. Stunde meines Arbeitstags bin ich manchmal so müde, dass ich eigentlich aus Sicherheitsgründen gar nicht mehr auf der Straße sein sollte. Muss ich erst einen Unfall mit Fahrgast wegen Übermüdung haben, bis die Münchner Stadtpolitik endlich reagiert?“

 

 

 

„Die nächsten vier Monate des Jahres gelten als die umsatzstarken Monate in unserem Gewerbe, aber diese Monate werden nicht ausreichen, um die entstandenen Verluste auszugleichen“, berichtet ein Mehrwagenunternehmer, der im regen Austausch mit seinen Kollegen steht. „Spätestens ab Januar werden mindestens ein Drittel der Münchener Taxiunternehmen Insolvenz anmelden müssen, verbunden mit einem entsprechenden Anstieg der Arbeitslosigkeit in München, denn kein angestellter Taxifahrer wird ohne soziale Absicherung zu Uber oder Bolt wechseln.“

6.000 ordentlich sozialversicherte Arbeitsplätze stehen so auf dem Spiel, rechnen die Verfasser in ihrem Brandbrief vor. Die Taxibranche zähle zu den zehn größten Münchener Arbeitgebern. „Diese Beschäftigungsverhältnisse verteilen sich auf ca. 250 kleinere und größere Mehrwagenbetriebe, die jeder für sich in München Gewerbesteuer zahlen, da der Betriebssitz zwingend in der Genehmigungsgemeinde sein muss. Mehr als zwei Drittel der Betriebe, die für die Plattformen arbeiten, haben ihre Betriebssitze teilweise weit außerhalb Münchens, arbeiten aber zu 100 Prozent in München.“

Für rund 30 Minuten gehörte der Petueltunnel ganz allein den Taxis, Dieser Abschnitt des Mittleren Rings zählt sonst zu den meistbefahrenen Straßen Münchens. Foto: Taxi Times
Für rund 30 Minuten gehörte der Petueltunnel ganz allein den Taxis, Dieser Abschnitt des Mittleren Rings zählt sonst zu den meistbefahrenen Straßen Münchens. Foto: Taxi Times

Genau die hier angesprochenen Plattformen sind es, die den Münchner Taxlern das Leben so schwer machen.“ Der Technologiekonzern Uber hat die Vermittlung von Aufträgen vor 13 Jahren in München begonnen, beschreibt der Brandbrief die langjährige Untätigkeit der Politik. „Seit Beginn der Vermittlung durch diese Plattform hat das Taxigewerbe durch seine Verbände und Zentralen in allen Gesprächen mit der Politik, der Taxikommission, den Behörden, der Polizei, der IHK, dem Zoll und weiteren Organisationen darauf hingewiesen, dass dies eine unlautere und verbotene Konkurrenz zum Taxigewerbe darstellt.

Querstraßen wurden ebenfalls abgesperrt. Foto: Taxi Times
Querstraßen wurden ebenfalls abgesperrt. Foto: Taxi Times

Im Anschluss an diese Ausführungen wird der OB daran erinnert, dass auch er längst über dieses Problem informiert war: „Spätestens aber seit dem persönlichen Gespräch der Münchener Verbände und Zentralen mit Ihnen im Januar 2020 ist Ihnen die Problematik des unlauteren Wettbewerbs, der illegal agierenden Konkurrenz und den für das Taxigewerbe daraus entstehenden massiven Umsatzeinbußen bekannt. Die mit Uber und später auch Bolt verbundenen Probleme der illegalen Vermittlung begleiten Sie somit seit Ihrem Amtsantritt als OB. Ein frühzeitiges entschiedenes politisches Statement durch Sie gegen jede Form der illegalen Tätigkeiten in München hätte sicher zur Entschärfung der Situation beigetragen.“

Für diese Untätigkeit zeigen die Münchner Taxiunternehmer kein Verständnis, zumal OB Reiter und seine SPD damit kriminelle Strukturen erlauben: „Wir können hier klar und rechtssicher von illegaler Vermittlung sprechen, zahlreiche Gerichtsverfahren, u. a. auch durch Münchener Taxiunternehmer veranlasst, haben ohne Ausnahme bestätigt, dass die Art und Weise der Vermittlung der Plattformen nicht den geltenden deutschen Gesetzen entspricht. Die Urteile sind größtenteils durch alle Instanzen bis zum EUGH bestätigt worden, durch jeweils geringfügige Anpassungen durch die Plattformen mussten anschließend die Prozesse erneut begonnen werden. Tenor all dieser Urteile: Vermittlungsimmanent muss der angeschlossene Teilnehmer (Mietwagenunternehmer) Verstöße gegen die Aufzeichnungs- und Rückkehrpflichten begehen. Hinweise zu den fragwürdigen Geschäftspraktiken der Plattformanbieter finden über Jahre hinweg immer wieder den Weg bis in den Stadtrat (nur um ein Beispiel zu nennen: Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 09.09.20219, bzw. ergänzendem Antrag vom 19.09.20219 zur Sicherung des Taxigewerbes, um den von den Plattformen angekündigtem Preiskampf entgegentreten zu können).“

Die Autoren des Brandbriefes sehen in diesem politischen Verhalten eine Ungleichbehandlung der beiden Verkehrsarten Taxi und Mietwagen: „In der Vorbereitung zur Entscheidung über die MBE führten wir dieses Jahr intensive Gespräche mit allen Fraktionen u.a. auch am runden Tisch in Ihrem Hause. Von Seiten der Plattformen wird immer wieder behauptet, die MBE würden Arbeitsplätze vernichten. Diese Aussage widerlegt sich schon durch die am runden Tisch vorgebrachten Aussagen vom Zoll und dem KVR (sowie mittlerweile durch Gutachten belegt), dass bei den Mietwagenunternehmen meist ohnehin keine ordentlichen Arbeitsverhältnisse bestehen, sondern Schwarzarbeit und Sozialbetrug eher die Regel darstellt. Eine eventuelle Arbeitslosigkeit dieser Fahrer hätte sich noch am selben Tag durch ein Vorstellungsgespräch bei einem Taxiunternehmen erledigt.

Bild von Taxis. Exakt 30 Taxis nahmen an der Demo teil. Foto: Taxi Times
Exakt 30 Taxis nahmen an der Demo teil. Foto: Taxi Times

Alle Mehrwagenunternehmen im Taxibereich leiden seit zig Jahren unter Personalmangel, gleichzeitig würden diese Fahrer dann ein ordentliches Arbeitsverhältnis bekommen. Kein Taxiunternehmen kann sich auf Grund der häufigen Sozialversicherungsprüfungen durch Rentenversicherung, KVR, Finanzamt irgendeinen Fehler erlauben, dem Unternehmer würden zwingend wegen der fehlenden persönlichen Zuverlässigkeit die Konzessionen entzogen werden.“

Gleiches Recht für alle, weil sonst diejenigen, die sich an Recht und Gesetz halten, von den Unrechtmäßigen an die Wand gedrückt werden – wie es derzeit im Münchner Taxigewerbe zu beobachten ist. „Als Konsequenz daraus wird die Funktionsfähigkeit des Münchener Taxigewebes erheblich bedroht sein. Diese Konsequenz ist in nahezu allen Gesprächen mehrmals deutlich dargelegt worden“, macht die Branche abermals deutlich.

Was dies für die Münchner Bevölkerung bedeutet, wird ebenfalls aufgeführt: „Die öffentlichen Aufträge, die der Daseinsvorsorge der Münchener Bevölkerung dienen, können dann nicht mehr erbracht werden. Schüler- und Behindertenfahrten, deren Durchführung auch in der Verantwortung der Stadt München liegen, können nicht mehr ausgeführt werden. Nur durch das Fahrpersonal kann diese Vorsorge, insbesondere auch in den Nachtstunden dargestellt werden. Die Funktionsfähigkeit des Taxis sicherzustellen ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen in jeder Gemeinde, in München also in letzter Instanz Ihre Aufgabe.“

Im Rathaus wurde Dieter Reiter der Brief dann persönlich überreicht. Der OB sagte einen persönlichen Gesprächstermin nach dem Oktoberfest zu. Foto: Taxi Times
Im Rathaus wurde Dieter Reiter der Brief dann persönlich überreicht. Der OB sagte einen persönlichen Gesprächstermin nach dem Oktoberfest zu. Foto: Taxi Times

Die Entscheidung des OB, die eigentlich geplante Einführung eines Mindestbeförderungsentgelts für Mietwagen (MBE) für Mietwagen in München zu vertagen, wird vom Münchner Taxigewerbe sehr bedauert. „Mit der Entscheidung die Einführung der MBE durch Vertagung zu verzögern oder am Ende zu verhindern, lässt die Stadt München wissentlich zu, dass von Unternehmen in ihrem Verwaltungsbereich weiterhin in großem Umfang Steuern- und Sozialabgaben hinterzogen werden. Am runden Tisch in Ihrem Hause, sowie bei der Sitzung der Taxikommission wurden vom Zoll Zahlen im Bereich von 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr für den Bereich München genannt. Ihnen und allen Parteien des Stadtrates sind die Kontrollen und Ergebnisse des Zolls und des KVR´s bekannt. Wenn SPD und CSU eine Trefferquote von 99% bei Betrug von Sozialabgaben und Steuerhinterziehung durch Mietwagenunternehmen ignorieren und jedes mögliche Handeln verzögern oder verhindern, schädigen sie zugleich die Bürger dieser Stadt. Dies kann verantwortliche Politik nicht wollen und wird irgendwann entsprechende Konsequenzen fordern.

Am Münchner Viktualienmarkt wurde die Demo dann beendet. Foto Taxi Times
Am Münchner Viktualienmarkt wurde die Demo dann beendet. Foto Taxi Times

Laut Beschluss der Stadt soll die Einführung bis 30.06.2026 verschoben werden. Dieser Zeitpunkt ist nach den Kommunalwahlen am 08. März 2026. „Die Stadt München wird dann eine andere politische Zusammensetzung haben und andere politische Mehrheiten werden sich finden müssen, prophezeit die Taxibranche. „Es ist nicht zu erwarten, dass über irgendeine getroffene Vereinbarung ein neues Stadtparlament ohne inhaltliche Kenntnis des Themas entscheiden wird. Damit ist abzusehen, dass eine Entscheidung über Mindestpreise für den Mietwagen frühestens im Herbst 2026 oder gar erst 2027 getroffen wird. Diese Zeitspanne kann das Münchener Taxigewerbe aus oben dargestellten wirtschaftlichen Gründen nicht hinnehmen. Getreu dem Motto, wenn wir schon bankrottgehen müssen, weil Sie Ihre Möglichkeiten als Kommune nicht wahrnehmen, dann werden wir dies nicht leise tun.“

Als Konsequenz der vielen Argumente, denen sich kein verantwortungsbewusster Politiker entziehen kann, setzen die Autoren in ihrem Brandbrief dann noch eine Frist an den Münchner OB: „Wir fordern Sie daher auf, den Beschluss über die Mindestbeförderungsentgelte in seiner ursprünglich vorgesehenen Form zum nächsten Kreisverwaltungsausschuss am 30. September 2025 wieder auf die Tagesordnung zu setzen und die Einführung der Mindesttarife zu beschließen.“

Man darf gespannt sein, ob der OB sich darauf einlässt.

Quelle: Taxi Times

Originalmeldung: https://taxi-times.com/ein-brandbrief-sorgt-fuer-stau-auf-muenchens-strassen/

Autor: Jürgen Hartmann

Beitragsfoto: Taxi Times