Der inkompetente Änderungsantrag der SPD-Fraktion

Ein von der SPD- und CSU-Fraktion Ende Juli verabschiedeter Änderungsantrag hat die Münchner Diskussion um ein Mindestbeförderungsentgelt (MBE) für Mietwagen wieder auf null gesetzt. In einem Brandbrief an den Münchner Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter hat die Taxibranche den rechtlichen Wert dieses Antrages nun in seine Einzelteile zerlegt.

Anstatt einen eigentlich vorbereiteten Beschluss für die Einführung eines Mindestbeförderungsentgeltes zu verabschieden, haben die Münchner Fraktion der SPD und CSU Ende Juli gemeinsam einen Änderungsantrag aus der Schublade gezogen, der die ganze Thematik von links auf rechts gedreht hat. Es folgten daraufhin zwei Spontandemos der Münchner Taxler als letzter Strohhalm, verbunden mit der Hoffnung, dass die Politiker beider Fraktionen nicht vor einer Hetzkampagne von Uber und Bolt einknicken, sondern stattdessen nach Sachlage der Fakten für ein MBE entscheiden.

Doch die einzelnen Mitglieder hielten sich an ihren Fraktionszwang und stimmten für den Änderungsantrag – die SPD vor allem auf Druck ihres OB Dieter Reiter, der deshalb auch der personifizierte Sündenbock der anschließenden Proteste wurde (Warum ausgerechnet Dieter Reiter so hart angegangen wurde, können Sie hier nachlesen und hier nachhören).

Nach der Sommerpause haben die Münchner Taxler deshalb ihren Protest gegen diese Entscheidung fortgesetzt. Vergangenen Freitag gab es abermals eine Taxidemo, in deren Anschluss man einen Brandbrief an den Münchner OB persönlich übergab. Über mehrere Seiten wird Dieter Reiter in diesem Brief aufgeklärt, welche existenzbedrohenden Auswirkungen die aktuelle Dumpingpreispolitik der Plattformen auf die Münchner Taxibranche hat (Taxi Times berichtete über die Demo und den Brief).

Brandbrief der Taxibranche an den Münchner Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter

In einem zweiten Teil setzt sich der Brief aber auch mit dem Inhalt des anstelle eines MBE-Beschlusses eingebrachten Änderungsantrags auseinander. Dieser war erst wenige Stunden vor der eigentlichen Sitzung von der Münchner SPD vorgelegt worden, hatte die Grünen als Koalitionspartner düpiert und wurde am nächsten Tag mit den Stimmen der CSU beschlossen. Besonders bemerkenswert: Die CSU fungiert eigentlich als Oppositionspartei zur grün-roten Stadtratskoalition. Doch bei diesem Thema wechselte die SPD mal kurzzeitig die Fronten.

In ihrem Brandbrief zerpflücken die Taxivertreter den Inhalt des Änderungsantrags. Was darin formuliert wird, sei größtenteils mit geltenden Gesetzen gar nicht vereinbar, wird der OB in dem Brief aufgeklärt. In mehreren ausführlichen Punkten äußern die Vertreter des Münchner Taxigewerbes ihre Bedenken.

Der erste Punkt beschäftigt sich mit der Passage im Änderungsantrag, in der die Stadtverwaltung beauftragt wird, mit den Plattformbetreibern eine Vereinbarung zu abzuschließen, „die neben einem Mindestpreis auch einen Maximalpreis bei hohen Fahrtaufkommen […] vorsieht.“ Wie sehr diese politische Forderung an der rechtlichen Realität vorbeigeht, machen die Autoren des Brandbriefes deutlich: „Eine Festsetzung von Maximaltarifen für den Mietwagenbereich sieht der Gesetzgeber nicht vor, ebensolche würden auch den Gesetzen der Marktwirtschaft widerlaufen.“ Da Uber & Co nur Vermittler sind und keine eigenen Fahrzeuge betrieben, könne die Stadt München mit den App-Betreibern keine rechtlich verbindlichen Höchstpreise vereinbaren.

Doch damit nicht genug: „Erschwerend kommt hinzu, dass aus kartellrechtlichen Gründen Preisabsprachen zwischen Plattformen juristisch nicht möglich sein dürften“, moniert das Taxigewerbe und zieht daher ein klares Fazit: „Freiwillige Vereinbarungen oder Verpflichtungen stehen mit Sicherheit jenseits des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und sind nicht nur Makulatur, sondern auch von kurzlebiger Natur.“

Brandbrief der Taxibranche an den Münchner Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter

Im zweiten Punkt hinterfragen die Verfasser des Brandbriefes den Begriff „Mindesthonorare“. Im Änderungsantrag war davon die Rede, dass die Stadtverwaltung im Rahmen der oben erwähnten Vereinbarung auch „die Festlegung von Mindesthonoraren“ prüfen solle. „Sollte mit „Honoraren“ im Änderungsantrag der SPD der Mindestlohn gemeint sein, dann ist für die Bezahlung desselben an den Fahrer nicht die Plattform zuständig, sondern der durchführende Unternehmer“, stellt das Taxigewerbe klar und verweist darauf, dass die Plattformanbieter lediglich Vermittler und nicht der durchführende Unternehmer sind – was sie selbst auch auf jedem ihrer Werbeplakate genau so formulieren. „Jedwede Vereinbarung mit Plattformen zur Bezahlung des Personals läuft also völlig ins Leere“, wird auch hier die juristische Unzulänglichkeit des Änderungsantrags betont.

Vielleicht war mit dem Begriff „Honoraren“ aber auch die Bezahlung von Subunternehmern der Plattformen gemeint? In diesem Fall sei auch dies „nach PBefG weder im Taxi- noch im Mietwagensektor zulässig und nicht genehmigungsfähig. Zumal dann erst recht die bereits jetzt versteckt bestehende Form der Scheinselbständigkeit der Mietwagenunternehmer offen zu Tage treten würde.“

Bei der Abgabe des Brandbrief des Brandbriefs war der OB zufällig gerade anwesend. So konnte er den Brief persönlich in Empfang nehmen. Herr Reiter stellte den anwesenden Gewerbevertretern ein Gespräch nach dem Oktoberfest in Aussicht. Foto: Taxi Times
Bei der Abgabe des Brandbrief des Brandbriefs war der OB zufällig gerade anwesend. So konnte er den Brief persönlich in Empfang nehmen. Herr Reiter stellte den anwesenden Gewerbevertretern ein Gespräch nach dem Oktoberfest in Aussicht. Foto: Taxi Times

Beim dritten Kritikpunkt gehen die Verfasser des Brandbriefs auf die Forderung im Änderungsantrag ein, wonach die Tarifstrukturen sowohl für Taxi als auch Mietwagen zu diskutieren und zu überarbeiten sind. Solch eine Formulierung erinnere an die bekannte Ansicht der Plattformanbieter, dass bestehende Gesetze von ihnen nicht eingehalten werden müssen, sondern die Gesetze in ihrem Sinne modernisiert werden müssten.

„Der Bundesgesetzgeber in Berlin hat 2021 einer „flexiblen“ Gestaltung von Taxitarifen im Interesse des Gemeinwohls und der öffentlichen Aufgaben des Taxis (Schienenersatzverkehr, Schüler- und Behindertenfahrten, Krankenbeförderungen etc.) sehr enge Grenzen gesetzt“, erinnern die Vertreter des Taxigewerbes an die gültige Rechtsprechung. „Eine echte Flexibilisierung der Taxitarife analog der nachfrageorientierten Preisfindung durch die Plattformen kann die Stadt München wiederum nicht ohne eine Gesetzesänderung aus Berlin beschließen.“

Da aber Gesetzesänderungen auf Bundesebene zeitnah nicht möglich sind, „behalten die Plattformen damit aktuell den Vorteil, dass sie bis zu einer Gesetzesänderung langjährig ungehindert ihren illegalen Geschäften weiter nachgehen können.“

Mit einem abermaligen Appell an den Münchner OB schließt der Brief: „Alle in Ihrem Änderungsantrag geforderten Punkte benötigen Gesetzesänderungen aus Berlin. Wie Ihnen dank Ihrer langjährigen politischen Erfahrung sicher bekannt ist, können Änderungen nicht binnen weniger Monate durchgesetzt werden, schon gar nicht allein nur deshalb, weil die Stadt München dies möchte. Die letzte Aktualisierung des PBefG für Taxi- und Mietwagenbelange hat immerhin 41 Jahre (1980 bis 2021) gedauert. Wenn Sie Herr Oberbürgermeister dies noch vor den nächsten Kommunalwahlen im März erreichen, dann wäre das tatsächlich eine politische Meisterleistung. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir diesem Wunder nicht glauben schenken und Sie daher noch einmal auffordern, die Ihnen als Kommune in die Hand gegebenen Werkzeuge der Mindestbeförderungsentgelte umgehend zu nutzen und umzusetzen.“ jh

Anmerkung der Redaktion: Es war bereits ein politisch äußerst fragwürdiges Vorgehen der SPD wie auch der CSU-Fraktion, eine eigentlich fertige Beschlussfassung für ein MBE für Mietwagen kurz vor Toresschluss noch zu kippen. Stattdessen aber einen Änderungsantrag einzubringen, der juristisch völlig unhaltbare Forderungen an die eigene Stadtverwaltung enthält und nicht zwischen Kommunalbefugnis und Bundesrecht unterscheidet, ist der eigentliche Skandal an dieser Vorgehensweise. Eine SPD-und CSU-Fraktion, die so agiert, verliert jegliches Vertrauen in ihre politische Kompetenz.
Die Konsequenz aus diesem peinlichen Änderungsantrag kann daher nur lauten: Ab in die Tonne damit, einen neuen Antrag formulieren und diesen ohne weiteren Zeitverlust einbringen.

Quelle: Taxi Times

Originalmeldung: https://taxi-times.com/der-inkompetente-aenderungsantrag-der-spd-fraktion/

Autor: Jürgen Hartmann

Beitragsfoto: Screenshot aus dem SPD-Änderungsantrag, verabschiedet am 29.7.2025