Zentralen im Überlebenskampf, nicht im Todeskampf (2)

Zur Einschätzung, wie eine Taxizentrale die Bedrohungen durch unlauteren Wettbewerb überstehen kann, sind die Erfahrungen langjähriger Strategen aufschlussreich. Zwei von ihnen sind in Wien aktiv, ein weiterer in Berlin.

Der Berliner Zentralenchef Hermann Waldner moderierte beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag 2025 in Erfurt das Panel „Taxizentralen im Wettbewerb (und Überlebenskampf)“, das er mit einem Impulsvortrag über die aktuelle Situation von Taxifunkzentralen mit dem Blick des Bundesverbands-Vizepräsidenten sowie aus seiner Berliner Sicht einleitete (Taxi Times berichtete). Zwei weitere Experten mit jahrelanger Erfahrung sind die Österreicher Michael Weiss und Christian Holzhauser.

Der Wiener Zentralen-Geschäftsführer Christian Holzhauser erläuterte, wie es der größten klassischen Taxivermittlung Österreichs mit erheblichen Marktinvestitionen gelungen ist, sich im Taxivermittlungsgeschäft zu behaupten und sogar verloren gegangene Marktanteile zurückzuerobern.

Mag. Christian Holzhauser ist Geschäftsführer der Zentrale Taxi 40100 Wien und Obmann der Sparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer des Bundeslandes Wien, wo er die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation sowie den Fachverband Fahrschulen, allgemeiner Verkehr leitet. Mag steht für Magister, vergleichbar mit dem deutschen Grad Dipl.-Ing.
Mag. Christian Holzhauser ist Geschäftsführer der Zentrale Taxi 40100 Wien und Obmann der Sparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer des Bundeslandes Wien, wo er die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation sowie den Fachverband Fahrschulen, allgemeiner Verkehr leitet. Mag steht für Magister, vergleichbar mit dem deutschen Grad Dipl.-Ing.

Holzhauser skizzierte die Strategie seiner Zentrale: Man müsse sich zunächst darüber bewusst sein, wo man auf dem Markt mit seinen Preis- und Qualitätsstufen positioniert sein wolle. Das Produkt, das seine Firma verkaufe, sei nicht direkt an ein Fahrzeug geknüpft, sondern sei unter dem Strich eine Konsumentenerfahrung, und man müsse zugeben, dass diese bei Uber besser sei.

Ein wichtiger Punkt im Wettbewerb: Seine Zentrale verlange für die Vermittlung von Aufträgen nicht mehr Provision als die Plattformanbieter. Ansonsten würden die Kunden, in diesem Fall die angeschlossenen Funkteilnehmer, abwandern.

Die Bedeutung von Markt - und Meinungsforschung. Diagramm

Wichtig sei für jede Zentrale zudem, ihr Budget dort einzusetzen, wo die Zuwachsrate hoch sei, und das sei momentan klar im Segment der App-Bestellung der Fall. Die telefonische Bestellung müsse man nicht bewerben, die sei bewährt und funktioniere. Mit „Kugelschreiber-Marketing“ wie Anzeigen in Printzeitungen gewinne man heute nichts mehr. Andere Kanäle, mit denen man das jüngere Publikum erreiche, seien lohnend: Man bezahle Influencer, Musiker und sogar eine Dragqueen, mit deren Auftritten bereits viel positive PR für die Zentrale gemacht werden konnte. Auch in den sozialen Medien sei Taxi 40100 sehr präsent, unter anderem auf Snapchat, Spotify, Instagram und Tiktok. Dabei sei ebenso der Einsatz von Analyseprogrammen wichtig, um zu sehen, in welchen Bereichen die Werbung genau Erfolg hat.

Marketingaktivitäten von Taxi 40100

Wichtig für Entscheidungen, wofür man sein Geld ausgebe, seien Umfragen, die Taxi 40100 daher regelmäßig durchführe. Auch werden digitale Analyse-Tools genutzt, etwa wie viele Apps heruntergeladen werden, wie die Benutzung der App abläuft und an welchen Punkten der Bestellvorgang gegebenenfalls abgebrochen wird.

Doch Einsparungen seien auch in unerwartet hohem Maße bei den telefonischen Bestellungen durch Digitalisierung erfolgt. Kaum jemand in der Firma hätte es für möglich gehalten, 60 Prozent der Anrufe oder mehr von einer Künstlichen Intelligenz bearbeiten zu lassen. Inzwischen sei man bei gut 70 Prozent, Tendenz weiter steigend – mit dem von Michael Weiss’ Firma entwickelten Callbot (siehe unten).

PR und Kommunikation in Zeiten von KI: to do Liste

Von entscheidender Bedeutung sei auch, dass man als Anbieter seinerseits von künstlichen Intelligenzen bei den Suchmaschinen gefunden werde, damit man bei jungen Leuten im Bewusstsein bleibe. Auch eine ansprechende, aktuelle, lebendig wirkende Homepage und regelmäßige Pressemeldungen seien Voraussetzung dafür, dauerhaft wahrgenommen zu werden – auch, wenn die Presse gar nicht immer schreibe: Die KI merke sich alles.

Über weiteres zu zeitgemäßen Vermarktungsmethoden referierten auch zwei junge Unternehmer. Dazu mehr im dritten und letzten Teil zu diesem Panel.

Zuhörer beim Zentralen Panel.

fms-Co-Geschäftsführer Michael Weiss kennt viele Zentralen, denn rund 150 arbeiten mit der Vermittlungssoftware von fms. In Zeiten des Umbruchs der Mobilitätsbranche sei für ihn die wichtigste Frage für Taxizentralen: Wo liegen unsere Schwächen?

Einige nannte er sofort: „Es gibt keine einheitliche Taxilandschaft, sondern das ist ein sehr sequentiertes Feld, und jede Stadt macht ihr eigenes Geschäftsmodell oder auch ihren eigene Brand. Wir haben eine Vielzahl von Apps, kein gemeinsames Branding, und die Digitalisierung ist in vielen Zentralen viel zu wenig fortgeschritten.“

Michael Weiss (auf dem linken Bild mit Mitarbeiter Joachim Aufner) ist Gründer der Austrosoft-Unternehmensgruppe und gemeinsam mit Hermann Waldner geschäftsführender Gesellschafter / Managing Director (CEO) der 2012 gegründeten Plattformgesellschaft für einheitliche Taxibestellungen fms Systems GmbH mit Sitz in Wien, mit der die europaweite Taxi-Bestell-App taxi.eu ins Leben gerufen wurde.
Michael Weiss (auf dem linken Bild mit Mitarbeiter Joachim Aufner) ist Gründer der Austrosoft-Unternehmensgruppe und gemeinsam mit Hermann Waldner geschäftsführender Gesellschafter / Managing Director (CEO) der 2012 gegründeten Plattformgesellschaft für einheitliche Taxibestellungen fms Systems GmbH mit Sitz in Wien, mit der die europaweite Taxi-Bestell-App taxi.eu ins Leben gerufen wurde.

Eine Antwort, die man konkret einigen Zentralen geben könne, sei: Ihr gebt Euer Geld für die falschen Dinge aus, etwa für eine zu große Verwaltung. Besser als viele einzelne Marken (und für jede einzelne Zentrale günstiger) wäre es, in eine gemeinsame App zu investieren, denn die Branche müsse sich dringend weiter digitalisieren. Dass Plattformvermittler nach österreichischem Gewerberecht den Funkzentralen gleichgestellt seien, bedeute aus seiner Sicht, dass die Zentralen auch so wie Plattformen vermitteln können sollten. Man müsse nach außen wie eine Plattform agieren können, um im Wettbewerb standhaft zu bleiben. Das TaBeA-Projekt sei ein gutes Beispiel, bei dem das gelungen sei.

Fahrer App von FMS

Auch müsse eine gute, digitalisierte Zentrale eine leicht und intuitiv zu bedienende Fahrer-App anbieten, die – ebenso wie die Kunden-App – maximal einfach, per QR-Code, zu installieren und zu starten sei. Zwar hätten die Plattformen recht, dass ihre Fahrer-Apps genau dies bieten würden, doch nur für „ganz primitive und einfache Aufträge“, nicht aber für „hochkomplexe Krankenfahrten, wo der Kunde vielleicht unterschreiben muss“ – oder man vom Kunden „dies und jenes verlangen“ müsse. Deswegen sei „die Kunst“, eine App zu machen, die „den Fahrer auch durch komplexere Abläufe so führt. Es sei wichtig für die Zentralen, neben dem Consumer-Geschäft, also dem „B2C“-Geschäft (Business to customer) auch im B2B-Geschäft (Business to business) präsent zu sein, „eben mit Krankenkassen, mit Schülerfahrten, mit sonstigen Spezialfahrten, mit Großkunden und so weiter.“ Das sei besonders wichtig, dass auch diese Fahrten sehr effizient und digitalisiert abgewickelt werden können.

Schließlich präsentierte Weiss die Funktionstüchtigkeit des von seiner Softwareschmiede entwickelten Callbots, der in der Lage ist, den Dialog mit den Kunden per künstlicher Intelligenz aufzunehmen, womit Taxizentralen ihre Personalkosten erheblich senken und damit wieder in ihren eigenen Markt investieren können.

Get the best out of your phonecalls.

Hermann Waldner ist geschäftsführender Gesellschafter der Taxi One GmbH, die die Vermittlung Taxi Berlin betreibt, gemeinsam mit Michael Weiss geschäftsführender Gesellschafter / Managing Director (CEO) der fms Systems GmbH, Vorsitzender des Berliner Landesverbandes Taxi Deutschland Berlin e. V. und war von Oktober 2016 bis Oktober 2025 Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM).
Hermann Waldner ist geschäftsführender Gesellschafter der Taxi One GmbH, die die Vermittlung Taxi Berlin betreibt, gemeinsam mit Michael Weiss geschäftsführender Gesellschafter / Managing Director (CEO) der fms Systems GmbH, Vorsitzender des Berliner Landesverbandes Taxi Deutschland Berlin e. V. und war von Oktober 2016 bis Oktober 2025 Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM).

Es wurden mehrere aufgezeichnete telefonische Bestellvorgänge abgespielt, bei denen die Anrufer unterschiedlich konkret ihre Bestellwünsche äußerten und dennoch stets richtig verstanden wurden, so dass jeweils die genau passende Taxibestellung ausgelöst wurde.

Auf die im Nachhinein von Taxi Times geäußerte Frage, ob der Callbot auch Anrufer versteht, die nichtmher so ganz nüchtern und artikulationsfähig sind, zeigte sich Weiss zuversichtlich, dass auch das gelinge.

Moderator Hermann Waldner resümierte, der beste Zeitpunkt für die Taxizentralen zum Handeln sei gestern gewesen. Dennoch sei es noch nicht ganz zu spät. „Wir müssen aber schnell handeln, da wir jeden Monat Kunden verlieren.“

 

 

Hinweis der Redaktion: Taxi Times war beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag mit vier Redakteuren vor Ort und konnte deshalb alle, teils parallel stattfindenden Panels besuchen. Lesen Sie die ausführlichen Zusammenfassungen der Panels über die nachfolgend aufgeführten Links. ..

18.11.25: Übersicht über den Tag 1 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Erfurt wurde zum Taxi-Mittelpunkt

19.11.25: Übersicht über den Tag 2 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Freunde? Feinde? Überleben!

19.11.25: Panel „Tarifkorridor – Vor- und Nachteile“: Der Tarifkorridor hat viele Gesichter

20.11.25: Panel „Teilhabe und Daseinsvorsorge – Taxis noch inklusiver machen“: „Taxi für alle“ – wie wäre es mit „Rollitickets“?

25.11.25: Panel Rahmenbedingungen Krankenfahrten: „Gamechanger Krankenfahrten?“

26.11.25: Panel „Plattformen: Freund oder Feind“: Plattformkooperationen – Sackgasse oder ein neuer Weg?

27.11.25: Panel Von obskur bis allgegenwärtig – das ÖPNV-Taxi wächst“ Inkl. Workshop: „Linienverkehr und Taxi brauchen Paartherapie

28.11.25: Panel Die Kleine Fachkunde: „Wie geht es weiter mit der Kleinen Fachkunde?

07.12.25: Panel Autonomes Fahren inkl. Workshop: „The Next Big Thing – Autonome Personenbeförderung

28.11.25: Panel Mindestbeförderungsentgelte: Wo wir jetzt stehen: „MBE – das neue Zaubertool der Taxler

07.12.25: Panel Autonomes Fahren inkl. Workshop: „The Next Big Thing – Autonome Personenbeförderung

09.12.2025: Panel Taxizentralen im Wettbewerb und Überlebenskampf: Teil 1: „Zentralen im Überlebenskampf, nicht im Todeskampf“

Infos von den Sponsoren des Deutschen Taxi- und Mietwagentags:

27.11.25; Sponsor Imo Carwash: „Fahrzeugwäsche mit fast 50 Prozent Taxirabatt

12.12.25: Sponsor Shell: „BVTM handelt für Shell Sonderkonditionen für Mitglieder aus

16.12.25: Sponsor Honda: „Taxi-Überraschung beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag

Quelle: Taxi Times

Originalmeldung: https://taxi-times.com/zentralen-im-ueberlebenskampf-nicht-im-todeskampf-2/

Autor: Axel Rühle

Beitragsfoto: Taxi Times