Münchens OB Reiter „in der Rolle des Kasperl“

In letzter Sekunde haben die Münchner SPD und sein Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter die eigentlich schon fertig vorbereitete Einführung eines Mindestbeförderungsentgelts (MBE) für Mietwagen gekippt. Was mag die SPD da bloß geritten haben und warum wird der OB dafür verantwortlich gemacht?

Ein Erklärungsversuch

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter musste sich letzte Woche einiges anhören vor seinem Rathaus, als mehrere hundert Taxler spontan gegen ihn und seine SPD demonstrierten. Plakate, auf denen die Frage nach dem Verräter mit Reiters Portrait kombiniert wurden, waren zu sehen und laute „Reiter raus“-Rufe zu hören. Verbandspolitische Statements machten aus dem Oberbürgermeister Dieter Reiter einen „Uberbürgermeister“.

„Wortbruch“ „Massiver Vertrauensbruch“ und „Rote Karte“ waren noch die harmloseren Vorwürfe. Man sprach auch von einem „besonders schmutzigen Manöver“, von einem „spektakulären und traurigen Schauspiel“. Reiter habe einen Offenbarungseid geleistet. „In München haben wir ein politisches Schmierentheater gesehen, das seinesgleichen sucht. Uber führt Regie und Dieter Reiter geht in der Rolle des Kaspers vollständig auf“, kommentiert Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands BVTM. In den Kommentarspalten sprechen die hintergangenen Taxler offen von Korruption. Sie können sich den Wortbruch nicht anders erklären.

Dabei gäbe es durchaus noch einen politischen Erklärungsgrund – einen, der aber nicht unbedingt ein besseres Licht auf den OB wirft. In München hat der Wahlkampf begonnen. Herr Reiter möchte weiterhin der Oberbürgermeister seiner Stadt bleiben, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass der starke Mann im Münchner Rathaus künftig lieber mit der CSU koalieren möchte als weiterhin mit den Grünen. Mit kleinen Nadelstichen werden die Grünen düpiert, mit Hinterzimmer-Deals teilt man sich mit der CSU ab und zu das ein oder andere Bettlaken.

Genau das ist letzte Woche passiert. Der Änderungsantrag, durch den man die Einführung von MBE um mindestens 12 Monate verschoben hat, wurde mit den Stimmen der SPD und der CSU beschlossen. „Die Art und Weise, wie der Antrag formuliert ist, lässt vermuten, dass er schon einige Tage vorher verfasst worden war“, mutmaßt ein Vertreter des Taxigewerbes. Über den Änderungsantrag wurden die Grünen jedoch erst am Tag vor der Abstimmung um kurz vor 17 Uhr informiert.

Politisch erlebt man das selten, dass mitten während einer Legislaturperiode die Junior(!)-Koalitionspartei dem Partner so in den Rücken fällt. „So macht man keine Politik“ hatten Grünen-Stadträte am Tag der Abstimmung nur fassungslos den Kopf geschüttelt. Auch den Münchner Bürgern hatte Reiter noch bis kurz vorher einen Bären aufgebunden: In einem Radio-Interview hatte er noch drei Tage vorher angekündigt, dass er für Mindestpreise bei Mietwagen sei.

Das erklärt, warum sich der Zorn aus dem (übrigens bundesweiten!) Taxigewerbe jetzt so auf den „Verräter“ konzentriert. Reiter ist fixiert auf die eigenen Interessen und unzugänglich für die echten Fakten. Diese Fakten kommen aus seiner eigenen Aufsichtsbehörde, dem KVR. Dort hat die Fachabteilung aufgrund zahlreicher Betriebsprüfungen eindeutig bestätigt, dass Mietwagenbetriebe in München nur mit Rechtsbrüchen und Sozialversicherungsbetrug agieren. Da hilft dann auch kein Kontrollieren und Sanktionieren mehr, wenn beispielsweise eine hohe Geldstrafe, die bereits 2023 verhängt wurde, bis heute nicht bezahlt ist. Eine Stadt wie München darf so etwas nicht länger zulassen und das MBE wäre genau das richtige Instrument, um solche Missstände aufzulösen und damit endlich wieder für einen fairen Wettbewerb zwischen Taxis und Plattformen zu sorgen, fordern sinngemäß die Grünen.

Doch Reiter und seine SPD ignorieren die Fakten der eigenen Behörde. „Das ist schon ein spektakuläres, aber auch sehr trauriges Schauspiel: Eine Stadt kastriert sich selbst“, lautet dazu der Kommentar vom Taxi-Bundesverband. Doch auch diese Ignoranz gegenüber dem KVR folgt einer klaren Strategie: Die Behördenleiterin des KVR, Dr. Hanna Sammüller-Gradl, ist ebenfalls von den Grünen.

Münchens OB konnte mit diesem Manöver also gleich viele Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das KVR als Behörde samt seiner Leiterin zum unmündigen Befehlsempfänger degradieren, den ungeliebten Koalitionspartner bloßstellen, sich als Braut für den Bettenwechsel schon mal hübsch machen und es nach außen auch noch so wirken zu lassen, als wäre Reiter der Retter der billigen Individualbeförderung, was ja alleine schon eine Wiederwahl rechtfertigen sollte.

Doch wer die eigenen Bürger so plump in die Irre führt und gleichzeitig eine ganze Branche den eigenen politischen Machtspielchen opfert, muss sich nicht wundern, wenn er den geballten Zorn dieser Branche zu spüren bekommt.

Vielleicht hat Herr Reiter tatsächlich gedacht, mit den kleinteilig organsierten Taxlern könne er das machen. Doch das war eine schwere Fehleinschätzung des Noch-OB´s. Eine Fehlentscheidung, die ihn im März 2026 tatsächlich die Wahl kosten könnte. Denn die Münchner Taxler werden jetzt mehr denn je um ihre Existenz und um die Anerkennung von Recht und Gesetz kämpfen. Lauter, als es sich ein Dieter Reiter je hätte vorstellen können. Wenn in den nächsten Wochen bei Taxidemos Trillerpfeifen den Straßenlärm übertönen und Taxikolonnen für ein Verkehrschaos sorgen, dann sollten die davon betroffenen Bürger nicht auf die Taxler schimpfen. Schuld daran ist einzig und allein ihr „Uberbürgermeister“, der so gerne in Zukunft mit der CSU regieren würde und dafür mal eben die Taxibranche opfert.

Quelle: Taxi Times

Originalmeldung: https://taxi-times.com/muenchens-ob-reiter-in-der-rolle-des-kasperl/

Autor: Jürgen Hartmann

Beitragsfoto: Taxi Times